Anita Kaya
VERLAGERUNGEN
»Humanity and non-humanity have always performed an intricate dance with each other. There was never a time when human agency was anything other than an interfolding network of humanity and non humanity; today this mingeling has become harder to ignore.«1
Ich beschäftige mich mit der menschlichen Beziehung zu den Dingen. Mit den überflüssigen Dingen, mit denen wir uns umgeben, die sich anhäufen zu Bergen - scheinbar ohne unser Zutun – sich ablagern in unseren Wohnungen, Landschaften und Körpern.
Wie sind sie nur hierher gekommen?
Hierher in die Wohnung, Tür 22. Ein Lager.
Eine Schlafstätte widerspenstig aufgetürmter Dinge. Materialien, gestapelt, geschichtet, alltägliche Dinge und Dokumente, die an Bedeutung verloren haben und doch wirksam sind. Eine Ansammlung, eine Anhäufung, ein Körper. Monströs. Widerständig. Ein schlafender Drache, wie ein blinder Fleck auf der Landkarte, ein zu erforschendes Terrain.
Die Dinge als Gedächtnis gegen das Vergessen schieben sich in den Vordergrund und wollen Gehör. Ich möchte ihrem Ruf folgen, mich Üben im Hören, der Vielstimmigkeit lauschen. Den Spuren dazwischen folgen, den Verbindungslinien. Überlagerungen. Ge-Schichten. Vergangenes. Alltägliches. Fiktives.
Die Dinge berühren. Rühren. In Fluss bringen. Wohin wollen sie sich bewegen, sich finden an anderen Orten und zu anderen Versammlungen? Sich ordnen, wandeln, komprimieren, archivieren, ...? Was zeigt sich in der Notwendigkeit des Verlagerns der Dinge, im Neuverorten, im Wiederaneignen als Antrieb für eine künstlerische Recherche?
ANITA KAYA (AT) ist freischaffende Choreografin, Performerin und Netzwerkerin, und lebt in Wien. Sie studierte experimentelles Theater am Dramatisches Zentrum Wien, zeitgenössischen Tanz in Wien, Deutschland, Italien und New York (Stipendien des BMUKK), und Bewegungsanalyse und -notation bei der Österreichischen Gesellschaft für Tanztherapie.
Seit 1984 arbeitet sie als Tänzerin / Performerin / Choreographin in Tanz- und Theaterproduktionen, u.a. unter der Regie von Ruben Fraga und Nigel Charnock, und war Mitbegründerin und Mitglied zahlreicher Theater- und Tanzkollektive, wie Damenimprovisation und Herrenbigbäng. Unter dem Label OYA-Produktion (1988-2005) schuf sie als künstlerischer Leiterin, Choreographin und Tänzerin zwölf abendfüllende choreografische Werke, zahlreiche (ortsspezifische) Performances, Installationen sowie zwei Tanzvideos in Zusammenarbeit mit Künstler_innen aus unterschiedlichen Disziplinen, die bei Festivals und in Spielstätten in Österreich, Mexiko, Frankreich, Italien, Finnland, Deutschland, Ungarn und USA / New York aufgeführt wurden.
2000 co-initiierte sie die Künstler_innen für Künstler_innen-Initiative Im_flieger und entwickelt seither als künstlerischer Leiterin neue Konzepte und Strukturen von künstlerischer Zusammenarbeit: wie das europäische Residenz-Programm TERRAINS FERTILES 05, ausgezeichnet mit dem Innovationspreis 2005 durch die IG-Kultur Wien, das internationale Künstler_innen Austauschprogramm CHANGING SPACES oder die diskursive transmediale CROSSBREEDS-Plattform an der Schnittstelle von performativer und bildender Kunst.
Anita Kaya beschäftigt sich mit dem Körper als Speicher des individuellen und kollektiven Gedächtnisses, mit den sozialen Aspekten und Praktiken von Choreographie als performative Ordnung von Raum, Körper und Materialien. Ihre letzten Arbeiten wurden als transmediale Settings und (performative) Installationen realisiert und positionierten sich an der Schnittstelle von (Tanz-)Geschichtsforschung, Archivierung, Installation und Performance. (LIVING ARCHIVE)
1 Jane Bennett, Vibrant Matter: A Political Ecology of Things, 2010