Performance Research mit Klebebändern
1. Gesprächsfragment Lisa Hinterreithner mit Anita Kaya und Jack Hauser
Lisa Hinterreithner im Gespräch mit Jack Hauser und Anita Kaya
17. Oktober, Veranda
Lisa: Wir sitzen hier zu dritt und ich lade euch beide im Rahmen der Stoffwechselwerkstatt ein, mit mir über meine Arbeit zu Mustern zu sprechen und nachzudenken. In künstlerischer Zusammenarbeit mit der Musikerin Elise Mory und der bildenden Künstlerin Lilo Nein beschäftige ich mich ja schon seit längerem mit dem Thema Muster, habe auch im Frühling bereits eine Residenz im Rahmen von Stoffwechsel durchgeführt und merke zunehmend, dass ich mich in der fortlaufenden Entwicklung der Arbeit eigentlich immer weniger mit Mustern beschäftige, sondern bestenfalls mit Ansätzen von Mustern, die keine großen flächigen oder raumgreifenden geschlossenen Strukturen ergeben. Mit welchen Dingen versuche ich das? Die Dinge bzw. das Material, mit dem ich arbeite, sind Klebebänder. Diese Klebebänder geben in ihrer Verwendung und in ihrer Performativität einen ziemlich eingeschränkten Spielraum frei ...
Mich fasziniert ein Ding neben einem Ding neben einem Ding als performativer Ablauf. Auf Klebebänder übertragen heißt das: Ein Klebebandstreifen wird an die Wand oder auf den Boden geklebt, daneben ein zweiter, der den ersten bestätigt, und ein dritter wird neben den zweiten geklebt – könnten wir schon von einem Muster sprechen? Deckt sich diese reduzierte Form in ihrer ganzen performativen Unordnung, die ich dabei auch einsetze und produziere, mit einem visuellen Bild, welches wir mit dem Begriff Muster verbinden? Wenn ich an Muster denke, dann vor allem an gemusterte Oberflächen als visuelle Muster. Geht es in dieser Arbeit vielleicht um Oberflächen? Ist meine Form der Umsetzung ober-flächlich? Was denkt ihr? Wir drei sitzen hier ja auf und zwischen einem Punktehaufen und einer gestreiften Struktur – haftet dem performativen Zugang etwas Designhaftes an?
Jack: Deine Position in den Mustern fällt mir da gleich auf, weil du für mich nicht zu diesen Mustern gehörst. Jetzt frage ich mich: Wer bist du eigentlich? Kreierst du Muster und löst sie wieder auf? Bist du etwas wie ein Avatar, oder so etwas wie eine Spielerin mit den Objekten? Welche ist deine Position innerhalb der Arbeit?
Lisa: Mit Avatar kann ich weniger anfangen. Ich bin auch keine maschinelle Klebeband-Pickerin. Aber es ist etwas Assistierendes. Damit sich etwas aufbauen oder wieder abbauen kann, assistiere ich dem Material. Aber ich muss sagen, wenn ich anderen Performerinnen in meiner Arbeit zusehe, bekomme ich nicht den Eindruck, dass sie dem Material assistieren, um etwas zu visualisieren. Meine innere und äußere Wahrnehmung decken sich da nicht ganz. Entscheidend in diesem Zusammenhang ist, dass in der finalen Performance drei Performerinnen mit dem Material hantieren und Elise Mory live spielt. Ich sehe beim Beobachten eher Körper als persönliche Materialien, die sich mit einem anderen Material durch Bekleben verändern. Es ist eine gemeinsame Performance zu Klebeband und Körper. Da muss ich kurz anmerken: Wie ist das gemeint, wenn wir von Körper sprechen? Es macht einen großen Unterschied, ob ich von den Performerinnen als Subjekte spreche oder als Körper.
Jack: Ok, das hab ich jetzt vergessen, weil ich dich hier immer alleine arbeiten sehe. Das heißt also, wie du vorhin gesagt hast, dass, wenn man ein erstes, ein zweites und ein drittes nebeneinanderstellt, ergibt das ein Muster. Und das passiert dann auch bei euch Performerinnen. Aber hier bist du allein, bist du immer draußen.
Lisa: Warum bin ich da immer draußen?
Jack: Weil du alleine bist. Hier sind zwei, drei Klebestreifen, da geht es auch um dieses zwei, drei, vier fünf. Wenn das auch bei den Performerinnen der Fall ist, dann gehört ihr mehr dazu. Das schwächt meine Frage zu deiner Position etwas ab. Ich verstehe es jetzt besser.
Anita: Wenn ich dich jetzt hier in der Werkstatt beobachte, dann ist ein ganz anderer Aspekt als im Frühling in den Vordergrund getreten. Nämlich der, wo es stark um die Qualität dieser Anhaftung der Klebebänder geht. Dem Material nahezutreten. Die Bänder bleiben meist an den Materialien, mit denen sie in Berührung gebracht werden, kleben. Es geht für mich jetzt weniger um das Kreieren von Mustern mit den Bändern, sondern mehr um das in Berührung Treten mit den Bändern, und darin zeigen sich bestimmte Muster oder Formen. Das Anhaftende der Bänder kommt gerade ganz stark raus.
Lisa: Eine schöne Beobachtung. Aber was macht dieses Anhaften, welches ja nur die Perfomerin mit dem Material physisch erlebt, mit den Zuseher_innen? Was transportiert diese Situationen, wo Pullover von Klebebändern in Falten gezogen werden? Ist dieses Oberflächenspiel bloß ein visuell-prozesshaftes Display, oder ruft es andere Assoziationen bei den Zuseher_innen hervor? Hat diese Äußerlichkeit also ein selbstreflexives Potential in der Übertragung auf eigene, innere Muster, wie etwa Verhaltensmuster, oder auf soziale Muster in größeren Gruppen?
Jack: Für mich ist es ganz weit weg von einem Display. Kleben hat die Eigenschaft, Verbindungen einzugehen, so wie Schrauben oder Verschränken, dadurch ist es ganz weit weg von einem Bild. Ich sehe, wie sich Verbindungen herstellen und wieder lösen. Das ist für mich größer als ein Bild und das ist letztendlich für mich auch Inhalt. Ist gar nicht so unbestimmt für mich. Wenn ich sehe, daß du wo hängen bleibst. Also wenn man, allgemein gesprochen, wo picken oder hängen bleibt, dann hat das immer auch einen Aspekt von Infragestellen der eigenen Kontrolle, weil die eigene Intention unterbrochen wird. Und das sehe ich bei dir die ganze Zeit. Intentionen werden unterbrochen und verstricken sich ineinander. Das hat ein bisschen mit Slapstik zu tun, ist aber auch etwas Kompositorisches. Wie ein Filter bei Musik. Ein Klang will auf eine bestimmte Weise raus, und der Filter transformiert diesen Klang, der dadurch anders klingt, als ursprünglich intendiert war.
Anita: In den verschiedenen Ansätzen, die ich bisher gesehen habe, ist es für mich interessanter, den Körper mit den Klebebändern in Zusammenhang zu bringen. Egal, ob es Haut ist oder Gewand, als Hülle für den Körper. Da werden ganz unterschiedliche Beziehungen sichtbar gemacht und diverse Assoziationen ausgelöst, ohne auf einer Sache festzufahren, weil es doch abstrakt ist. Das hat für mich durchaus Potential. Das hat einen Witz, das hat Humor. Ich sehe es nicht als Slapstik, aber es hat Humor, den ich mag. Ich finde diese Kontaktsuche spannender als drei Streifen nebeneinander am Boden geklebt.
Jack: Also auch kein Display?
Anita: Ja. Kein Display. Dann auch die Reste, oder das was an Überresten bleibt. Das heißt, darin gibt es einen zeitlichen Aspekt, den ich mag. Wie deine Socken da drüben, die da, komplett in die Klebestreifen eingepackt, geblieben sind.
Jack: Ja, ich glaube auch, das gehört dazu. Das ist nicht so unwesentlich.
Lisa: Wie meinst du das? Was gehört dazu? Die Reste? Oder die Performance der Dinge in der Performance?
Anita: Nein, das Material hinterläßt in der Performance auch Spuren und diese Spuren gehören dazu.
Jack: Die gehören dazu. So als müsstest du in der Performance eine Zeit einplanen, wo man nur die Spuren anschaut.
Anita: Ja, den Spuren den gleichen Wert geben wie der Aktion selbst.
Lisa: Ich denke auch, dass es Zeit braucht, in der nur die gemusterten Überbleibsel in Elises Musik angeschaut werden können.